Mann zeigt mit Finger auf Presse-Mitteilungen der CONSERVE Gruppe.
Presse-Mitteilung

Bitcoin treibt die Demokratie auf die Spitze

Foto: © privat Jörg Hermsdorf

Der Dresd­ner Block­chain-Exper­te Jörg Herms­dorf sieht die Über­le­gen­heit des digi­ta­len Gol­des übers Zen­tral­bank­geld. Doch es wird ein schwie­ri­ger Weg werden.

Der gebür­ti­ge Dresd­ner Jörg Herms­dorf reist stän­dig rund um die Welt, um den Men­schen die Block­chain und den Bit­co­in näher­zu­brin­gen. Er ist Co-Foun­der der Köl­ner Fir­ma Con­ser­ve Block­Chain Ser­vice GmbH.

Wirtschaft in Sachsen Herr Herms­dorf, das Bit­co­in-Netz­werk hat in den letz­ten Wochen bis zu mehr als die Hälf­te sei­ner Rechen­leis­tung (Hash Rate) ver­lo­ren und ist trotz­dem nicht in die Knie gegan­gen. Wie ist das zu erklären?

Jörg Hermsdorf Ein län­ge­rer Ver­lust von ca. 35 Pro­zent wie wir ihn sahen ist zwar signi­fi­kant, aber man muss schon fast die Lupe neh­men, um ihn auf einem län­ger­fris­ti­gen Chart zu erken­nen. Anders gesagt, die Hash Rate ist aktu­ell auf dem Niveau von vor ca. einem Jahr. Die abso­lu­te Hash Rate ist für die unmit­tel­ba­re Funk­ti­ons­wei­se des Bit­co­in Netz­werks jedoch nicht rele­vant. Es gibt kein defi­nier­tes Mini­mum oder Maxi­mum. Das Netz­werk passt sich regel­mä­ßig auto­nom an die ver­füg­ba­re Hash­ing-Kap­zi­tät an. Ent­schei­dend ist die rela­ti­ve Hash­ing Kapa­zi­tät des Bit­co­in Netz­werks gegen­über poten­zi­el­len Angrei­fern (oder Gegen­spie­lern), und da liegt Bit­co­in wei­ter­hin mit mehr als 1.000 Pro­zent vor allen ande­ren bekann­ten Netz­wer­ken. Es ist auch nicht davon aus­zu­ge­hen, dass die­se 35 Pro­zent tat­säch­lich ver­lo­ren sind, son­dern dass es sich dabei größ­ten­teils um Betrei­ber han­delt, die gera­de Chi­na ver­las­sen und dann in eini­gen Wochen woan­ders auf der Welt wie­der online gehen.

Wirtschaft in Sachsen Chi­na möch­te einen digi­ta­len Yuan her­aus­brin­gen, Euro­pa einen digi­ta­len Euro. Das ist doch auch digi­ta­les Geld wie Bit­co­in, oder?

Jörg Hermsdorf Nein. Außer dass alle digi­tal sind, könn­ten die objek­ti­ven Unter­schie­de gar nicht grö­ßer sein. Bit­co­in ist ein trans­na­tio­na­les, offe­nes, dezen­tra­les, zen­sur­re­sis­ten­tes, Trans­ak­ti­ons­netz­werk mit einer vor­her­sag­ba­ren, nicht ver­wäs­ser­ba­ren, end­li­chen – aber belie­big teil­ba­ren- Geldmenge.

Der digi­ta­le Yuan bzw. Euro sind in allen Aspek­ten das genaue Gegen­teil, näm­lich (inter-) natio­na­le, geschlos­se­ne, zen­tra­li­sier­te und somit ein­fach zen­sier­ba­re Trans­ak­ti­ons­netz­wer­ke mit jeweils unvor­her­seh­ba­ren und erfah­rungs­ge­mäß höchst­wahr­schein­lich expan­si­ven Geld­men­gen, deren Ein­hei­ten nur sehr begrenzt teil­bar sind.


Wirtschaft in Sachsen Man­che sagen, Bit­co­in wird als ers­te Pro­jekt in der Kryp­towelt wie­der in die Bedeu­tungs­lo­sig­keit ver­schwin­den so wie damals AOL oder Yahoo, weil die neue­ren Pro­jek­te tech­nisch bes­ser wer­den. Ist das möglich?

Jörg Hermsdorf Das ist kein pas­sen­der Ver­gleich. AOL und Yahoo waren eine Zeit­lang sehr belieb­te Stra­ßen und Gebäu­de im Cyber­space, die mit der Zeit für schö­ne­re und grö­ße­re Ein­kaufs­zen­tren ver­las­sen wur­den. Bit­co­in ist viel­mehr das künst­lich geschaf­fe­ne Magnet­feld der Kryp­towelt und ver­sucht dort das Pro­blem der „har­ten kos­mi­schen Strah­lung“ zu lösen. Bit­co­in wählt dabei den Pfad der geringst­mög­li­chen Kom­ple­xi­tät, um maxi­ma­le Sicher­heit und Zuver­läs­sig­keit zu garan­tie­ren. Auch wenn man es nicht direkt sieht oder fühlt, Bit­co­in ist damit der Ursprung und bis heu­te die phy­si­ka­li­sche Grund­la­ge, damit über­haupt Leben in die­ser Kryp­towelt ent­ste­hen kann. Die ande­ren Pro­jek­te ver­su­chen ent­we­der ande­re Pro­blem­stel­lun­gen zu lösen oder son­nen sich ein­fach nur im Schutz der Bit­co­in-Magne­to­sphä­re. In die­sem Kon­text soll­te man des­halb Son­nen­schir­me, Son­nen­bril­len und Son­nen­creme – die bil­li­ger und augen­schein­lich effi­zi­en­ter oder anwen­der­freund­li­cher schei­nen – nicht als „bes­se­re Tech­no­lo­gien“ ver­ste­hen. Soll­te die Bit­co­in-Magne­to­sphä­re kol­la­bie­ren, dann heißt es auch für die meis­ten ande­ren Kryp­to-Pro­jek­te „gute Nacht“.

Wirtschaft in Sachsen Ethe­re­um als zweit­größ­te Kryp­to­wäh­rung stellt das Pro­to­koll von Pro­of-of-work auf Prof-of-sta­ke um, was wohl 99 Pro­zent Strom spa­ren soll. Wes­halb macht das Bit­co­in nicht ebenfalls?

Jörg Hermsdorf Pro­of-of-Work ist ja genau das, was der Markt tat­säch­lich nach­fragt. Man könn­te auch sagen Bit­co­in ist der unan­ge­foch­te­ne Pre­mi­um-Anbie­ter für Pro­of-of-Work. Selbst wenn es jemand bei Bit­co­in ändern wöll­te – was in einem ech­ten dezen­tra­len Sys­tem schwie­rig ist – der Markt wür­de wei­ter­hin Pro­of-of-Work nach­fra­gen. Pro­of-of-Sta­ke bie­tet nicht die glei­chen, star­ken Sicher­heits­ga­ran­tien wie sie durch das domi­nie­ren­de Pro­of-of-Work Netz­werk bereit­ge­stellt wer­den kön­nen. Bit­co­in ist mit über­wäl­ti­gen­dem Vor­sprung genau die­ses eine, domi­nie­ren­de Pro­of-of-Work Netz­werk und bie­tet dadurch eine kon­kur­renz­lo­se, ther­mo­dy­na­mi­sche Garan­tie vor Löschung und Ver­än­de­rung der in der Bit­co­in-Block­chain ver­an­ker­ten Daten.

Strom zu spa­ren ist bei dem Pro­blem, das Bit­co­in löst, lei­der kei­ne Opti­on. Wenn ich z.B. bei der Flug­zeug­her­stel­lung 99 Pro­zent Strom spa­ren möch­te, dann soll­te ich kein Alu­mi­ni­um ver­wen­den, son­dern z.B. Holz. Das wäre mög­lich. Dann erhal­te ich aber ein kom­plett ande­res Pro­dukt mit ande­ren Sicher­heits­ga­ran­tien. Lei­der gibt es kei­ne Abkür­zung bei der Alu­mi­ni­um­ge­win­nung wie man ohne oder mit sehr viel weni­ger Strom aus­kommt. Das sind nun mal die Geset­ze der Ther­mo­dy­na­mik an die uns hal­ten müs­sen. Ana­log ver­hält es sich bei den Kryp­to­wäh­run­gen. Und aus dem glei­chen Grund, wes­halb die meis­ten Men­schen es bevor­zu­gen, regel­mä­ßig in Alu­mi­ni­um­flug­zeu­ge zu stei­gen statt in Holz­flug­zeu­ge, wer­den vie­le ihr Geld und Ver­mö­gen das sie lang­fris­tig in Kryp­to­wäh­run­gen auf­be­wah­ren wol­len – also über Jah­re oder Jahr­zehn­te – in das domi­nie­ren­de Pro­of-of-Work Sys­tem ste­cken statt in ein Pro­of-of-Sta­ke Sys­tem. Das heißt nicht zwangs­läu­fig, dass Pro­of-of-Sta­ke und Pro­of-of-Work Netz­wer­ke im Cyber­space nicht koexis­tie­ren kön­nen. Es gibt aller­dings Anwen­dungs­fäl­le, da geht Sicher­heit ein­fach über alles. Kos­te es was es wol­le, man nimmt das Bes­te was man bekom­men kann, wes­we­gen Pro­of-of-Work (und damit Bit­co­in) immer eine Nach­fra­ge am Markt haben wird. Gold war unter ther­mo­dy­na­mi­schen Gesichts­punk­ten der bes­te ver­füg­ba­re phy­si­sche Wert­spei­cher der letz­ten 5.000 Jah­re, und Bit­co­in ist unter ther­mo­dy­na­mi­schen Gesichts­punk­ten der bes­te ver­füg­ba­re nicht-phy­si­sche Wert­spei­cher. In mei­nem Vor­trag „Das fina­le Geld“ erklä­re ich das im Detail.


Wirtschaft in Sachsen Bit­co­in ist ein rein pri­va­tes Pro­jekt, es gilt aber angeb­lich als ein sehr demo­kra­ti­sches. Weshalb?

Jörg Hermsdorf Demo­kra­tie (Mit­be­stim­mung) ist nicht binär, son­dern kann eine Aus­prä­gung von 0 bis 100 Pro­zent haben. Am lin­ken Ende der Ska­la fin­den wir Pro­jek­te, Gesell­schaf­ten, Sys­te­me, in denen eine Ein­zel­per­son oder eine klei­ne Grup­pe von Men­schen die Regeln für alle ande­ren fest­legt und in der Rea­li­tät effek­tiv durch­setzt. Am rech­ten Ende der Ska­la ste­hen Sys­te­me, bei denen nur sol­che Regeln effek­tiv durch­ge­setzt wer­den, denen alle Teil­neh­mer frei­wil­lig zustim­men, also Regeln, über die ein Mini­mal-Kon­sens unter allen herrscht. In Ver­bin­dung mit dem Sezes­si­ons-Prin­zip – also, dass es jedem Teil­neh­mer jeder­zeit mög­lich ist aus dem Regel­werk aus­zu­tre­ten – und ohne Repres­sio­nen oder Exit-Tax in Ruhe gelas­sen zu wer­den, wür­de man sicher von einem demo­kra­ti­schen Maxi­mum sprechen.

Das Bit­co­in-Pro­jekt liegt in sei­ner Gesamt­heit aktu­ell sehr weit am rech­ten Ende die­ser Ska­la. Ver­gleicht man Bit­co­in mit ande­ren „Demo­kra­tien“, sehen wir inzwi­schen eine ent­spre­chen­de Gewal­ten­tei­lung die man als Legis­la­ti­ve (Ent­wick­ler kurz „Devs“), Exe­ku­ti­ve („Miner“), Judi­ka­ti­ve („Full-Nodes“) und unab­hän­gi­ge Pres­se (Twit­ter, Pod­casts, Blogs) bezeich­nen könn­te. Nur eben, dass Bit­co­in geo­gra­phisch nicht begrenzt ist und statt Büro­kra­tie auf eine com­pu­ter­ge­stütz­te „Adho­kra­tie“ setzt. Eine Orga­ni­sa­ti­ons­form die Alvin Toff­ler bereits 1970 vor­her­ge­se­hen hat. Gegen­über dem Ent­wurf von Toff­ler hat Bit­co­in aller­dings noch einen Feed­back-Mecha­nis­mus, der es den Bit­co­in-Bür­gern („HOD­Lern“) in Echt­zeit (also 24 Stun­den pro Tag, 7 Tage die Woche) erlaubt, über die Kryp­to-Märk­te ihre Zustim­mung oder Abnei­gung zu signa­li­sie­ren. Die­ser Feed­back-Mecha­nis­mus zwingt die auf den ers­ten Blick völ­lig chao­tisch und unstruk­tu­riert erschei­nen­de Bit­co­in-Gemein­schaft wie ein gro­ßer Fisch­schwarm eini­ger­ma­ßen syn­chron in die glei­che Rich­tung zu schwim­men. Das Bit­co­in-Pro­jekt darf näm­lich einer­seits nicht ste­hen blei­ben, denn sonst wird es irgend­wann von ande­ren Kryp­to-Pro­jek­ten gefres­sen. Es darf auf der ande­ren Sei­te aber nicht zu radi­kal expe­ri­men­tie­ren und dadurch in Gefahr lau­fen, die grob 1 Bil­li­on US-Dol­lar an Wert die es jetzt hält, leicht­fer­tig zu verspielen.

Also ja, man könn­te sagen, Bit­co­in treibt das Demo­kra­tie-Prin­zip auf die Spit­ze: Poten­zi­ell unein­ge­schränk­te Mög­lich­kei­ten der Mit­be­stim­mung und Mit­ge­stal­tung kom­bi­niert mit Wah­len, die in Echt­zeit rund um die Uhr statt­fin­den, sowie der Sezes­si­ons-Mög­lich­keit („₿exit“) als letz­te Kon­se­quenz. Die­ses Ethos zieht sich durch alle Schich­ten des Bit­co­in-Öko­sys­tems. Das gilt für die Wei­ter­ent­wick­lung des Bit­co­in-Pro­to­kolls über die „Bit­co­in Impro­ve­ment Pro­po­sals“ (BIPs), die prin­zi­pi­ell jeder ein­rei­chen und vor­an­trei­ben kann (nicht nur „Abge­ord­ne­te“). Das gilt für die Wahl der eige­nen Wal­let-Soft­ware, wel­che die ent­spre­chen­den BIPs respek­tiert oder eben auch nicht. Das gilt für die Wahl des Anbie­ters über den man sei­ne Bit­co­ins („Sats“) kauft und wel­che BIPs die­ser unter­stützt oder auch nicht. Ob man sich mit­tels „Mining“ an der Durch­set­zung der BIPs betei­ligt oder nicht, oder ob man sich zumin­dest an der Über­prü­fung des Netz­werks mit einer soge­nann­ten Full-Node betei­ligt oder nicht.

Mit­be­stim­mungs­mög­lich­kei­ten bestehen prin­zi­pi­ell für jeden Men­schen auf der Welt in unter­schied­li­chen Ebe­nen. Per­mis­si­on­less, also ohne Antrag und Geneh­mi­gungs­stem­pel. Ange­fan­gen bei der Ent­schei­dung einen Teil des Kuchens mit der abso­lut begrenz­ten Men­ge von reich­lich zwei Bil­li­ar­den Ein­hei­ten (Sato­shis) zu besitzen.


Wirtschaft in Sachsen Wie stark schät­zen Sie die Com­mu­ni­ty welt­weit ein? Und wie wächst sie weiter?

Foto: © pri­vat Jörg Hermsdorf Jörg Hermsdorf Hoch­rech­nun­gen über die Kryp­to-Han­dels­platt­for­men zufol­ge gibt es welt­weit zwi­schen 150 und 200 Mil­lio­nen Men­schen, die inzwi­schen Bit­co­in besit­zen bzw. schon mal damit direkt Kon­takt hat­ten. Insi­der-Infor­ma­tio­nen der Exch­an­ges zufol­ge, die über Stan­ley Dru­cken­mil­ler und Paul Tudor Jones bekannt wur­den, glau­ben mehr als 85 Pro­zent davon an die lang­fris­ti­ge Zukunft von Bit­co­in und hal­ten dem Netz­werk die Treue, auch in Zei­ten, in denen der Dol­lar-Wert des Bit­co­in Netz­werks stark kor­ri­giert. Die­se 85 Pro­zent nen­nen wir HOD­Ler oder Bit­co­in-Bür­ger. Jeder davon ist somit zumin­dest ein klei­nes Zahn­rad der Com­mu­ni­ty. Die­se Zahl ver­dop­pelt sich ca. alle zwei Jah­re, des­we­gen rech­ne ich stark damit, dass wir gegen Ende des Jahr­zehnts min­des­tens eine Mil­li­ar­de Men­schen mit Bit­co­in-Expo­si­ti­on vor­fin­den werden.

Ein ande­res Indiz für das Wachs­tum der Com­mu­ni­ty sind Teil­neh­mer­zah­len auf Bit­co­in-Events wie die „Bit­co­in 2021“ Kon­fe­renz in Miami die­ses Jahr, die mit 12.000 Teil­neh­mern einen neu­en Höchst­stand erreich­te. Die Per­so­nen-Zahl der „Miner“ (Exe­ku­ti­ve) kann man schlecht ermit­teln, aber zumin­dest sehen wir sehr trans­pa­rent die Hash Rate, die im Jah­res­mit­tel wächst und sich auch ca. alle zwei Jah­re ver­dop­pelt. Ein signi­fi­kan­ter Teil davon ist aller­dings dem Fort­schritt in der Hash­ing-Tech­no­lo­gie zuzu­rech­nen. Die Per­so­nen-Zahl der Betrei­ber von „Full-Nodes“ (Judi­ka­ti­ve) – ein wich­ti­ger Teil der Com­mu­ni­ty – lässt sich in einem dezen­tra­len Netz­werk eben­falls schwer ermit­teln. Aller­dings ist die Zahl der öffent­lich erreich­ba­ren Nodes seit vier Jah­ren recht sta­bil zwi­schen 8 und 12 Tau­send, Ten­denz leicht steigend.

Die Zahl der mit­wir­ken­den Ent­wick­ler („Devs“) im Bit­co­in Core Pro­jekt hat sich in den letz­ten drei Jah­ren von 500 auf 800 erhöht. Bei die­ser Zahl ist jedoch irgend­wann mit einer Sät­ti­gung zu rech­nen, da sich die Wei­ter­ent­wick­lung zuneh­mend auf „höhe­re Schich­ten“ des Bit­co­in-Sys­tems wie z.B. dem Light­ning-Netz­werk verschiebt.


Wirtschaft in Sachsen Ver­mut­lich pro­fi­tie­ren ärme­re Staa­ten mit einer schwa­chen Wäh­rung stär­ker von Bit­co­in. Ist das der Grund, wes­halb Bit­co­in jetzt zwei­te offi­zi­el­le Wäh­rung in El Sal­va­dor ist?

Foto: © pri­vat Jörg Hermsdorf Jörg Hermsdorf Eine schwa­che Wäh­rung ist ja eher ein Sym­ptom für Armut und nicht die eigent­li­che Ursa­che. Schon gar nicht in El Sal­va­dor, denn dort ist seit zwei Jahr­zehn­ten der US Dol­lar die ver­wen­de­te Wäh­rung. Es gibt noch mehr Län­der, die kei­ne eige­ne Wäh­rung haben, son­dern den Dol­lar ver­wen­den, u.a. Ecua­dor, Pana­ma und Zim­bab­we. Es ist wenig über­ra­schend, dass eines die­ser Dol­lar-basier­ten Län­der den Bit­co­in jetzt über den poli­ti­schen Weg als offi­zi­el­les Zah­lungs­mit­tel legi­ti­miert. Im Prin­zip haben sie nur ins Gesetz geschrie­ben, was in Tei­len des Lan­des sowie­so schon gän­gi­ge Pra­xis war. Denn, obwohl El Sal­va­dor den Green­back (Papier-Dol­lar) ver­wen­det, haben 70 Pro­zent der Bür­ger kein Bank­kon­to. Nicht, weil sie es nicht wol­len, sie bekom­men von den Ban­ken ein­fach kei­nen Zugang zum elek­tro­ni­schen Zah­lungs­ver­kehr. Bit­co­in ist für die­se Men­schen die ein­zig ver­füg­ba­re, elek­tro­ni­sche Alter­na­ti­ve. Ins­ge­samt haben welt­weit zwei Mil­li­ar­den Men­schen die­ses Pro­blem, selbst in den USA haben ca. 20 Mil­lio­nen Men­schen kein Bankkonto.

In Län­dern wie El Sal­va­dor sind aller­dings noch zwei wei­te­re Fak­to­ren rele­vant. Ers­tens, ein signi­fi­kan­ter Anteil des BIP fließt von im Aus­land leben­den Migran­ten an Fami­li­en­an­ge­hö­ri­ge. Die­se soge­nann­ten Remit­tance-Zah­lun­gen, die über Geld-Trans­fer-Dienst­leis­ter wie Wes­tern Uni­on abge­wi­ckelt wer­den, dau­ern nicht nur Wochen bis sie beim Emp­fän­ger sind, son­dern ver­schlin­gen bis zu 30 Pro­zent des Werts an Gebüh­ren. Über Bit­co­in, spe­zi­ell über das Bit­co­in Light­ning-Netz­werk, ist das eine Sache von Sekun­den und die Gebüh­ren betra­gen nur einen Cent.

Zwei­tens, da die US-Noten­bank die Dol­lar-Geld­men­ge in den letz­ten 12 Mona­ten mas­siv um 50 Pro­zent aus­ge­wei­tet hat, sind die Dol­lar-basier­ten Län­der die Leid­tra­gen­den des soge­nann­ten „Can­til­lon Effekt“. Von dem neu geschaf­fe­nen Geld bekom­men El Sal­va­dor, Pana­ma, Ecua­dor ja nichts ab, trotz­dem müs­sen sie mit den dar­aus resul­tie­ren­den Preis­an­stie­gen (Infla­ti­on) auf den Dol­lar-deno­mi­nier­ten, inter­na­tio­na­len Märk­ten klar­kom­men. Die Dol­lar­re­ser­ven die­ser Län­der wer­den somit stark ver­wäs­sert, was ihren Hand­lungs­spiel­raum mas­siv reduziert.

Die Men­schen, Unter­neh­men als auch Staa­ten die­ser Län­der ent­de­cken jetzt, dass mit Bit­co­in ein glo­ba­les Open Source Geld-Netz­werk zur Ver­fü­gung steht, das seit 12 Jah­ren unglaub­lich zuver­läs­sig ope­riert, an das sie sich kos­ten­los, unver­bind­lich ando­cken kön­nen – und das mit einer Liqui­di­tät von fast einer Bil­li­on US-Dol­lar, die das Brut­to­in­lands­pro­dukt (BIP) die­ser Staa­ten bei wei­tem über­schrei­tet. Das BIP von El Sal­va­dor beträgt z.B. mit 26 Mil­li­ar­den USD nur knapp ein fünf­zigs­tel des Bit­co­in-Netz­werks, also mehr als genug, um theo­re­tisch die kom­plet­te Innen- und Außen­wirt­schaft von El Sal­va­dor über Bit­co­in abzuwickeln.

Wirtschaft in Sachsen Die USA, Euro­pa, Chi­na oder Japan haben star­ke Wäh­run­gen. Hier ist der infla­tio­nä­re Lei­dens­druck noch nicht groß genug für Bit­co­in, oder?

Jörg Hermsdorf Län­der wie El Sal­va­dor haben fast nichts zu ver­lie­ren, wenn sie sich auf das Bit­co­in-Expe­ri­ment ein­las­sen. Soll­te sich die­ser Schach­zug als Feh­ler her­aus­stel­len, dann sind die Kon­se­quen­zen ver­hält­nis­mä­ßig gering. Wenn der aber Plan auf­geht und noch mehr Län­der in Zukunft die­sen Schritt wagen, kön­nen sie als First Mover viel gewinnen.

In den von Ihnen ange­spro­che­nen Indus­trie­na­tio­nen ist die Situa­ti­on kom­ple­xer, es gibt vie­le ver­schie­de­ne Inter­es­sen­grup­pen, die von Bit­co­in tan­giert oder sogar kom­plett über­flüs­sig gemacht wer­den könn­ten. Nie­mand sägt frei­wil­lig an dem Ast, auf dem er sitzt, selbst wenn es für eine Volks­wirt­schaft lang­fris­tig viel­leicht gesün­der wäre die fau­len Äste abzu­sä­gen. Den­noch, in Japan ist Bit­co­in schon seit vier Jah­ren ein legi­ti­mier­tes Zah­lungs­mit­tel, aller­dings kein gesetz­li­ches, also sei­ne Steu­ern kann man damit nicht bezahlen.

In den USA gibt es zumin­dest auf Ebe­ne eini­ger Bun­destaa­ten Bestre­bun­gen, neben Gold und Sil­ber, auch Bit­co­in dem Dol­lar gleich­zu­stel­len und einen frei­en Wett­be­werb der Wäh­run­gen zuzu­las­sen. Lar­ry Kud­low, der ehe­ma­li­ge Direk­tor des US-Wirt­schafts­ra­tes, hat durch­bli­cken las­sen, dass die US-Regie­rung sich durch­aus bewusst ist, dass Bit­co­in per­spek­ti­visch unaus­weich­lich scheint, auch wenn sie dies aus nahe­lie­gen­den Grün­den nicht mögen. In Chi­na ist Geld ein sozio-poli­ti­sches Instru­ment, der Besitz von Bit­co­in ist der­zeit zwar nicht ver­bo­ten, doch mit der Gleich­stel­lung mit dem Yuan ist in abseh­ba­rer Zukunft sicher nicht zu rechnen.

In Euro­pa ist die Situa­ti­on sehr dif­fus. Das Euro-Expe­ri­ment ist ja erst 20 Jah­re alt und der Lei­dens­druck aus mei­ner Sicht bei wei­tem noch nicht groß genug, um über den poli­ti­schen Weg Mehr­hei­ten für das nächs­te Geld-Expe­ri­ment zu erhal­ten. Die Ver­wen­dung von Bit­co­in als Zah­lungs­mit­tel ist in der Pri­vat­wirt­schaft zwar über­all mög­lich, aber mit zusätz­li­chen Hür­den ver­se­hen, so dass Bit­co­in hier über­wie­gend als alter­na­ti­ver Wert­spei­cher ver­wen­det wird.


Wirtschaft in Sachsen Eine digi­ta­le Staats­wäh­rung kann auch in Zukunft noch belie­big oft erzeugt wer­den, Bit­co­in nicht. Bei 21 Mil­lio­nen Stück ist Schluss. Kann das nicht zum Pro­blem werden?

Jörg Hermsdorf Kommt auf die Per­spek­ti­ve an. Für Men­schen, die an eine freie Markt­wirt­schaft glau­ben, ist das kein Pro­blem, denn Bit­co­ins sind nahe­zu per­fekt teil­bar. Stand heu­te ist jeder Bit­co­in in 100 Mil­lio­nen Ein­hei­ten – soge­nann­te Sato­shi oder kurz „Sats“ – teil­bar und 1,8 Bil­li­ar­den davon befin­den sich schon im Umlauf. Im Light­ning-Netz­werk sind sogar bereits tau­sends­tel Sato­shi mög­lich. Man kann sich das wie eine Gold-basier­te Wirt­schaft vor­stel­len, bei der jeder die Mög­lich­keit hät­te ein Gold­stück in Bruch­tei­len einer Sekun­de bis in sei­ne Ato­me zu zer­tei­len. Dann nimmt man ein ein­zel­nes Gold-Atom und schickt es mit Licht­ge­schwin­dig­keit ans ande­re Ende der Welt, weil dort jemand sitzt, des­sen Web­site man gera­de liest. Also Geld­ein­hei­ten gibt es beim Bit­co­in für alle erdenk­li­chen Anwen­dungs­fäl­le prin­zi­pi­ell genug und eine freie Wirt­schaft hat die Fähig­keit, sich an die zur Ver­fü­gung ste­hen­de Geld­men­ge anzupassen.

Aller­dings führt eine limi­tier­te Geld­men­ge mit der Zeit zu grund­le­gen­den Ver­hal­tens­än­de­run­gen bei vie­len Men­schen, Unter­neh­men und damit auch den Volks­wirt­schaf­ten. Wenn man kein Geld ein­fach dru­cken oder per Knopf­druck in der Daten­bank einer Zen­tral­bank ent­ste­hen las­sen kann, dann muss man es sich zunächst erar­bei­ten und spa­ren, bevor man es aus­ge­ben kann. Man muss etwas von ech­tem Wert schaf­fen und anbie­ten, damit ande­re bereit sind, sich im Aus­tausch von ihrem Geld zu tren­nen. Für Men­schen, Unter­neh­men und Staa­ten, die aller­dings dar­an gewöhnt sind über ihren Ver­hält­nis­sen zu leben – und die es gewöhnt sind, wenn ihr eige­nes Geld knapp wird, ein­fach mehr davon zu pro­du­zie­ren – wird Bit­co­in eine har­te Umstel­lung. Aber Men­schen kön­nen ler­nen und sich anpassen.


Wirtschaft in Sachsen Ernst­zu­neh­men­de Wis­sen­schaft­ler haben gesagt, dass im Fal­le einer neu­en Pan­de­mie der Staat ohne sein Staats­geld, son­dern nur mit Bit­co­in nicht rich­tig hand­lungs­fä­hig wäre. Was sagen Sie?

Jörg Hermsdorf Das ist zwar eine phi­lo­so­phisch inter­es­san­te Hypo­the­se – die man auch all­ge­mei­ner für „unvor­her­ge­se­he­ne Her­aus­for­de­run­gen in der Zukunft“ for­mu­lie­ren könn­te – aber sie ist ohne Rele­vanz für unse­re Rea­li­tät. Die­se Hypo­the­se unter­stellt ja, dass sich ein sol­cher Bit­co­in Stan­dard als mone­tä­re Sin­gu­la­ri­tät, uner­war­tet, schlag­ar­tig über Nacht ein­stellt und sich nur ein Para­me­ter geän­dert hat: Das Geld­sys­tem. Die zeit­li­che Kom­po­nen­te, also wie es zu die­sem Bit­co­in Stan­dard kommt und wel­che ande­ren Para­me­ter, Annah­men und Ver­hal­tens­mus­ter der Men­schen sich im Lau­fe die­ses inter­tem­po­ra­len Vor­gangs eben­falls geän­dert haben, wird jedoch unterschlagen.

Geld ist der pri­mä­re Koor­di­na­ti­ons­me­cha­nis­mus unse­rer Gesell­schaf­ten. Wenn sich das Geld­sys­tem ändert, ändern sich die grund­le­gen­den Spiel­re­geln. Neue Spiel­re­geln ermög­li­chen neue Hand­lungs­op­tio­nen. Man­che Optio­nen fal­len weg, dafür kom­men neue hin­zu. Und wenn der Mensch sich anpasst, dann ver­än­dert sich auch das Spiel­feld. Neh­men wir das Bei­spiel El Sal­va­dor. Der Staat dort hat seit 20 Jah­ren kein eige­nes Staats­geld und somit auch nicht die damit ver­bun­den Hand­lungs­op­tio­nen. Dass sie jetzt anfan­gen, zusätz­lich zum US Dol­lar, auf den Bit­co­in Stan­dard zu set­zen zeigt, dass sie die mit einem eige­nen Staats­geld ver­bun­den Optio­nen offen­bar auch nicht ver­mis­sen. Ich den­ke, sie sind sich der Kon­se­quen­zen eines Bit­co­in Stan­dards sehr bewusst, weil sie sich inten­siv damit beschäf­tigt haben und sie wer­den ver­su­chen sich an die damit ein­her­ge­hen­den Spiel­re­geln so gut wie mög­lich anzupassen.


Wirtschaft in Sachsen Mög­li­cher­wei­se wird das Zen­tral­bank­geld aber blei­ben und Bit­co­in ein­fach nur ein Store-of-Value (Wert­spei­cher) sein wie Gold, oder?

Jörg Hermsdorf Zen­tral­bank­geld hat eine durch­schnitt­li­che Lebens­dau­er von ca. 40 Jah­ren, wes­we­gen wir dar­über strei­ten könn­ten, ob es wirk­lich bleibt. Zumin­dest kommt es in neu­em Gewand regel­mä­ßig wie­der. Aller­dings glau­be ich, dass die Wie­der­auf­er­ste­hung von Fiat­geld in einem Land in Zukunft zuneh­mend schwie­ri­ger wird. In der Ver­gan­gen­heit konn­te Fiat-basier­tes Zen­tral­bank­geld rela­tiv ein­fach durch­ge­drückt wer­den, indem man alle kon­kur­rie­ren­den For­men von Geld kon­fis­ziert oder deren Ver­wen­dung ent­spre­chend besteu­ert hat und die­se Besteue­rung auch tat­säch­lich durch­set­zen konn­te. Bit­co­in – mit sei­ner nicht-phy­si­schen und hyper-loka­len Natur – kon­kur­riert jetzt mit jeder Zen­tral­bank­wäh­rung auf der Welt, ob die Staa­ten es wol­len oder nicht. Und Bit­co­in hat das Poten­ti­al bei­des zu sein, ein guter Wert­spei­cher und ein schnel­les, effek­ti­ves Zah­lungs­mit­tel. Dadurch ver­ur­sacht Bit­co­in weni­ger Kos­ten für die Men­schen, weil man nicht stän­dig über Ver­mitt­ler zwi­schen Wert­spei­cher und Zah­lungs­mit­tel umtau­schen muss. Gutes Geld ist ein Grund­be­dürf­nis vie­ler Men­schen, wie fri­sches Was­ser. Es wird schwie­rig wer­den, ein Geld-Mono­pol in einem Land auf­recht zu erhal­ten, bei dem die Men­schen nicht auf Bit­co­in aus­wei­chen, wenn das Zen­tral­bank­geld zu schlecht ist. Das geht dann nur über dras­ti­sche Maß­nah­men, und das wer­den kei­ne attrak­ti­ven Län­der sein, weder für Inves­to­ren noch für Unter­neh­men und Fach­kräf­te. Das Ergeb­nis: Armut.

Daher wer­den sich die Zen­tral­ban­ken über kurz oder lang dem Wett­be­werb mit Bit­co­in stel­len müs­sen und ein­fach gutes Geld anbie­ten. Das wird nicht leicht, Bit­co­in hat eine Arma­da an sehr guten Ent­wick­lern, die über die Welt ver­teilt sit­zen und wei­ter­ent­wi­ckeln. Zusätz­lich müs­sen sich die Regie­run­gen dann Mühe geben, die Eigen­tums­rech­te der Bür­ger an die­sem guten Zen­tral­bank­geld zu respek­tie­ren, ansons­ten wech­seln die Men­schen trotz­dem auf Bit­co­in, wo die Eigen­tums­rech­te über die Geset­ze der Ther­mo­dy­na­mik for­ciert wer­den. Vie­le klei­ne Län­der wer­den in die­sem tech­no­lo­gi­schen Wett­kampf kapi­tu­lie­ren und ihr eige­nes Zen­tral­bank­geld frü­her oder spä­ter aufgeben.


Wirtschaft in Sachsen Trans­fers auf der Block­chain sind jetzt schon teu­er und wer­den noch teu­rer. Als Alter­na­ti­ve ist das Light­ning-Netz­werk ent­wi­ckelt wor­den. Was ist das und wie­viel Men­schen nut­zen es?

Jörg Hermsdorf Aus Sicht der Nut­zer ist Light­ning Magie. Man scannt mit dem Han­dy eine Rech­nung, drückt „Sen­den“ und Sekun­den spä­ter sind die Sats (Bit­co­in-Krü­mel) beim Emp­fän­ger. Kos­ten: fast Null.

Das Light­ning-Netz­werk nutzt das teu­re Pre­mi­um Pro­of-of-Work Netz­werk ledig­lich als dezen­tra­les Schieds­ge­richt. Die Idee dahin­ter ist, dass in einer Wirt­schaft ein Groß­teil der Zah­lun­gen im ein­ver­nehm­li­chen Ein­ver­ständ­nis statt­fin­den und es eher sel­ten zu Strei­tig­kei­ten kommt, die vor Gericht geklärt wer­den müs­sen. Die Trans­ak­tio­nen, die dann noch in der Bit­co­in-Block­chain lan­den, sind also kei­ne Zah­lun­gen im klas­si­schen Sinn mehr, son­dern die Grün­dung und Auf­lö­sung von Ver­trags­ge­sell­schaf­ten. Die Bit­co­ins wer­den dabei qua­si als Stamm­ka­pi­tal ein­ge­sperrt und kön­nen nicht weg­trans­fe­riert wer­den, solan­ge die Ver­trags­ge­sell­schaft exis­tiert. Tat­säch­li­che Zah­lun­gen für Güter und Dienst­leis­tun­gen sind dann digi­ta­le, smar­te Ver­trä­ge, die ein­ver­nehm­lich Ände­run­gen an den Anteils­ver­hält­nis­sen die­ser Ver­trags­ge­sell­schaf­ten vor­neh­men. Die­se smar­ten Ver­trä­ge wer­den erst­mal nur über das Light­ning-Netz­werk aus­ge­han­delt und aus­ge­tauscht, so dass jeder für den Fall der Fäl­le eine fäl­schungs­si­che­re, aktua­li­sier­te Gesell­schafts­ver­trags-Kopie hat, die er gegen­über der Bit­co­in-Block­chain ein­lö­sen könn­te. Das Alles ist natür­lich kom­plett auto­ma­ti­siert und wird von der Wal­let-Soft­ware auf dem Smart­phone oder Com­pu­ter erle­digt, also nie­mand muss von Hand die Ver­trä­ge erstel­len und signie­ren. Somit sind Light­ning-Zah­lun­gen zu extrem gerin­gen Kos­ten mög­lich, ver­gleich­bar mit einer E‑Mail, da das Schieds­ge­richt (die Block­chain) größ­ten­teils nicht invol­viert ist. Die poten­ti­el­le Trans­ak­ti­ons­ka­pa­zi­tät beträgt Schät­zun­gen zu Fol­ge bis zu ein­hun­dert­tau­send Zah­lun­gen pro Sekunde.

Das Light­ning-Netz­werk erbt dabei vie­le der Eigen­schaf­ten des Bit­co­in-Netz­werks: Es ist ein offe­ner, her­stel­ler-über­grei­fen­der Stan­dard, der frei von Paten­ten ist und an das sich im Prin­zip jeder ando­cken kann. Das Light­ning-Netz­werk ist eben­falls dezen­tral und bie­tet eine gewis­se Zen­sur-Resis­tenz. Auch im Light­ning-Netz­werk gibt es maxi­mal nur 21 Mil­lio­nen Bit­co­in, es kön­nen weder absicht­lich noch ver­se­hent­lich neue Bit­co­in geschaf­fen wer­den. Aktu­ell befin­den sich im Light­ning Netz­werk ca. 2.000 Bit­co­in, also eine Liqui­di­tät von 80 Mil­lio­nen US Dol­lar. In Deutsch­land kann man Light­ning z.B. dafür benut­zen, um Gut­ha­ben auf sei­nen Pre­paid-Mobil­funk­ver­trag aufzubuchen.

Die aktu­el­le Sta­bi­li­tät und Leis­tungs­fä­hig­keit des Light­ning-Netz­werks hat die Ver­ant­wort­li­chen in El Sal­va­dor über­zeugt, dass es gut genug ist, um Bit­co­in als gesetz­li­ches Zah­lungs­mit­tel für die über sechs Mil­lio­nen Men­schen ein­zu­füh­ren. Die Annah­me ist, dass ein Groß­teil der Bit­co­in-Zah­lun­gen in El Sal­va­dor dann zuver­läs­sig und kos­ten­güns­tig über das Light­ning-Netz­werk abge­wi­ckelt wer­den kann.


Wirtschaft in Sachsen War­um ist alles um die­ses The­ma Bit­co­in, Kryp­to und Block­chain so sehr tech­nisch und anwen­der­un­freund­lich? Wird sich das ändern?

Jörg Hermsdorf Es braucht ein­fach Zeit. Die Bit­co­in Com­mu­ni­ty muss­te sich die gesam­te Soft­ware und Tech­nik aus eige­ner Kraft erar­bei­ten. Es gab kei­ne finan­zi­el­le Unter­stüt­zung sei­tens irgend­wel­cher Regie­run­gen. Der Fokus lag bis­her auf der Sicher­heit und Sta­bi­li­tät des Pro­to­kolls, da ist viel Grund­la­gen­ar­beit erfor­der­lich, um Wege aus­zu­lo­ten wie man das Pro­to­koll, das viel­leicht für hun­dert­tau­send Teil­neh­mer funk­tio­niert, „trust­less“, „per­mis­si­on­less“ und zen­sur­re­sis­tent auf 10 Mil­li­ar­den Men­schen und 100 Mil­li­ar­den Maschi­nen ska­lie­ren kann. Außer­dem kos­tet die Opti­mie­rung der Benutz­bar­keit eine Men­ge Geld. Kos­ten, die i.d.R. nur jemand trägt, wenn es ihm dadurch mög­lich ist einen Mas­sen­markt zu erschlie­ßen. Dafür brau­chen Inves­to­ren aber recht­li­che Sicher­heit, dass sie die Dienst­leis­tung dann auch tat­säch­lich anbie­ten dürfen.

Die Opti­mie­rung der Benutz­bar­keit durch den nicht-tech­nik-affi­nen Men­schen steht da erst rela­tiv weit hin­ten an.

Die ent­schei­den­de Funk­ti­on von Geld ist, den Preis­un­ter­schied zwi­schen ver­schie­de­nen Waren und Dienst­leis­tun­gen zu kom­mu­ni­zie­ren. Ein Wirt­schafts­sys­tem, in dem sich die Geld­men­ge aller­dings stän­dig ändert – wie z.B. im Euro oder Dol­lar – führt zu Stö­run­gen im Preis­ge­fü­ge und der Wirt­schaft, selbst wenn die­se Inter­ven­tio­nen eigent­lich gut gemeint sind. Es ist viel­mehr die akti­ve Steue­rung des Finanz­sys­tems, die zu den soge­nann­ten Boom- und Bust-Zyklen, Zom­bie-Unter­neh­men und Finanz­kri­sen wie 2008 führt.

Bit­co­in ist der kom­plet­te Gegen­ent­wurf dazu, ein Sys­tem, in dem die Geld­men­ge ein­mal fest­ge­legt und dann unver­än­der­lich ist. Ähn­lich wie beim „Metri­schen Sys­tem“, der Meter wur­de als Maß­stab für Grö­ßen und Län­gen vor ca. 300 Jah­ren ein­mal fest­ge­legt und seit­dem nicht mehr geän­dert. Es wäre sehr fol­gen­schwer und inef­fi­zi­ent für alle Men­schen, wenn man den Meter jedes Quar­tal neu defi­nie­ren wür­de. Mit Bit­co­in bekommt die Wirt­schaft das, was Wis­sen­schaft­ler und Inge­nieu­re schon lan­ge haben: ein glo­ba­les Stan­dard­maß für ihr Fach­ge­biet. Einen unver­än­der­li­chen Refe­renz für Wer­te und Bewertungen.

Etwa 2028 wer­den bereits rund 20 Mil­lio­nen Bit­co­in – also 95 Pro­zent der Maxi­mal­men­ge – im Umlauf sein. Für die rest­li­che eine Mil­li­on wer­den dann noch 110 Jah­re benö­tigt. Der letz­te Bit­co­in wird im Jahr 2105 begon­nen ver­teilt zu wer­den und fast 40 Jah­re lang aus­ge­schüt­tet. Es sind dann nur noch sehr klei­ne Beträ­ge, Bruch­tei­le eines Bit­co­in, die täg­lich neu hin­zu­kom­men. Die Geld­men­ge wird dann fak­tisch nicht mehr erhöht. Das Netz­werk ist ab die­sem Zeit­punkt dann ein rei­nes Trans­ak­ti­ons­netz­werk. Damit bedient Bit­co­in die Nach­fra­ge vie­ler Men­schen, die sich eine Wäh­rung ohne Infla­ti­on wün­schen. Gera­de in Chi­na. Dort ist der Han­del mit Bit­co­in sogar ver­bo­ten, den­noch wird dort „auf der Stra­ße“ gehan­delt. Der Staat kann das Ver­bot selbst in die­sem eher tota­li­tär geführ­ten Land nicht effek­tiv durchsetzen.

Wirtschaft in Sachsen Das Gespräch führ­te Ulf Mal­lek für “Wirt­schaft in Sachsen”

Jörg Hermsdorf, Cloud- und Blockchain Experte, System Architekt, Forscher und Unternehmer

Jörg Herms­dorf (41) hat Infor­ma­tik und Kogni­ti­ons­wis­sen­schaf­ten an der TU Dres­den stu­diert, mit Schwer­punkt auf Archi­tek­tu­ren ver­teil­ter Sys­te­me und IT-Sicherheit.

Er ist Mit­grün­der der deut­schen CONSERVE Block­Chain-Ser­vice GmbH. Als Ver­ant­wort­li­cher für den Bereich „For­schung und Bil­dung“ ist er der füh­ren­de Ansprech­part­ner zu The­men rund um Block­chain-Tech­no­lo­gie und Kryp­to-Wäh­run­gen. Er ist Red­ner auf Kon­fe­ren­zen, Ver­an­stal­tun­gen und Podcasts.

CONSERVE ist ein auf Bit­co­in-Tech­no­lo­gie spe­zia­li­sier­tes Sys­tem­haus in Deutsch­land: Seit 2011 wer­den Unter­neh­men, insti­tu­tio­nel­le Inves­to­ren und Pri­vat­per­so­nen über die aktu­el­len und zukünf­ti­gen Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten bera­ten. CONSERVE bie­tet aktu­ell in Deutsch­land, Österreich und der Schweiz alle Leis­tun­gen für die erfolg­rei­che Durchführung eines Bit­co­in- bzw. Block­chain-Pro­jek­tes aus einer Hand: Bera­tung, Pro­gram­mie­rung und Schulung

Jörg Hermsdorf

Jörg HermsdorfCloud- und Blockchain Experte, System Architect, Research & Co-Founder

Jörg hat Infor­ma­tik und Kogni­ti­ons­wis­sen­schaf­ten an der TU Dres­den stu­diert, mit Schwer­punkt auf Archi­tek­tu­ren ver­teil­ter Sys­te­me und IT-Sicher­heit. Er war Unter­neh­mens­be­ra­ter und Grün­der eines App Start-ups. Als Mit­grün­der ist er der füh­ren­de Ansprech­part­ner zu The­men rund um Block­chain-Tech­no­lo­gie und Kryp­to-Wäh­run­gen. Jörg unter­sucht seit 2010 die Bit­co­in-Tech­no­lo­gie auf Schwach­stel­len und Ein­satz­mög­lich­kei­ten, sein fun­dier­tes Fach­wis­sen basiert auf jah­re­lan­ger Recher­che und Inter­ak­ti­on mit der Bit­co­in- und Block­chain Community.

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